Of Gust and Moist
Kerstin Ergenzinger
Immersive Soundinstallation / 11.–21.07.24
In der Ausstellung treten zwei Installationen in Dialog, die sich mit der Vermessung und Wahrnehmung von natürlichen Phänomenen und der Selbst-Positionierung und dem Ort von uns Menschen innerhalb dieses Beziehungsgefüges beschäftigen.
Whiskers in Space (2010)
Whiskers in Space ist eine künstlerische Studie über das Zuhören, Rauschen und Wiesen. Übergroße Halme aus flexiblem Polypropylenschaum ragen aus dem Boden. Sie bewegen sich, biegen und strecken sich von einer Seite zur anderen und zittern, als würden sie durch einen plötzlichen Nervenimpuls angeregt oder von einem geheimnisvollen Wind in Schwingung versetzt. In der Tat ist der Wind das entscheidende Element, das die Arbeit bestimmt; nicht der stürmische Wind am Meer, sondern ein mikroskopisch kleiner, nicht spürbarer Wind, der aus unerfindlichen Gründen eine Gänsehaut im Nacken auslösen kann.
Die skulpturalen Mechanismen sind mit Luftzugmessern (Hitzedrahtanemometern) verbunden. Ihr Verhalten orientiert sich an den permanent präsenten, zumeist nicht wahrgenommen Luftturbulenzen in Räumen. Es sind Mikroströme, die von vielen Faktoren beeinflusst werden, darunter die Wärme und Bewegungen unserer Körper.
Ähnlich wie die Schnurrhaare, die feinen Tastsensoren von Katzen im Dunkeln, dienen sie als Fühler und Antennen. Sie bewegen sich, wenn sich die Luftaktivität ändert, streben empor, ziehen sich zurück oder verhaaren. Auch klanglich drückt sich ihre Wahrnehmung aus: Die Skulpturen verstärken akustisch die Frequenzen der vibrierenden kinetischen Drähte, die sie animieren, und senden ein nervöses rhythmisches Summen und Ticken aus. Ihre eigenen Bewegungen wiederum und die Präsenz der warmen Körper des Publikums hinterlassen im Raum einen flüchtigen Abdruck, auf den die Skulpturen im Feedback reagieren.
Pluvial (2019)
Beide Arbeiten entstanden in enger Zusammenarbeit mit dem Umweltphysiker Thom Laepple.
Pluvial ist Teil ihres künstlerischen Forschungsprojekts „Rhythmic Textures“ an der Graduiertenschulde der UdK Berlin, gefördert von der Einstein Stiftung Berlin, sowie Teil ihrer Zusammenarbeit als Associate Artists mit dem nuClock Forschungsprojekt (nuclock.eu). Die Produktion der Arbeit wurde von SMArt® Steps Program der Dynalloy.Inc unterstützt.
Kerstin Ergenzinger
Kerstin Ergenzinger (Berlin) ist bildende Künstlerin und Klangkünstlerin. Sie arbeitet in und zwischen den Bereichen Skulptur, Klang, Kinetik, Licht und Zeichnung. Die räumliche Umgebung ist ein wichtiger Teil ihrer Arbeiten und die Frage, wie der Raum auch ein Instrument sein kann, ist für sie zentral. Ein Kernthema ihrer Praxis ist das unauflösbare Beziehungsgefüge zwischen Körper und Welt, zwischen Wahrnehmung und Wahrgenommenem, zwischen sinnlichem Erkunden und der Herstellung von Sinn. Sie arbeitet häufig interdisziplinär und kollaborativ an der Schnittstelle zu Wissenschaft, Tanz und Musik, etwa mit dem Sono-Choreographic Collective für transdisziplinäre Kunst und Forschung, das aus dem Zusammenspiel von Klang und Objekt, Bewegung und Schreiben Instrumente und Choreographien destilliert. Seit 2023 lehrt sie als Jun.-Prof. für Akustische Ökologien und Sound Studies an der Bauhaus-Universität Weimar.
swim 2024
Mit der Reihe swim (spatial works and immersive music) lädt das ZiMMT 2024 ein, musikalische Gewohnheiten über Bord zu werfen. Neun Konzerte und drei Klanginstallationen, die eine Brücke zwischen etlichen Genres schlagen, stellen uns vor neue Fragen. Ein breites Spektrum musikalischer Ausdrucksformen aus verschiedenen Genres wird in immersive, raumgreifende Erlebnisse integriert.
15 ganz unterschiedliche lokale und internationale Künstler:innen sind Teil von swim. Ihre Arbeiten reichen von vielschichtig komponierten elektroakustischen Werken bis zu experimentellen Ansätzen, die in der Ästhetik der Clubmusik wurzeln. swim verschmilzt unterschiedliche Klangwelten und lässt radikale Ansätze von Musikproduktion und Aufführung fragend auf herkömmliche Vorstellungen prallen. Was ist eine Live-Performance? Welche technischen Mittel kommen dabei zum Einsatz und wie erweitern sie den musikalischen Ausdruck? Was geschieht mit der Rolle des Publikums, wenn es in einer immersiven Performance in virtuelle Klangwelten eintaucht?
Auch Ideen davon, was ein Instrument ist, werden dekonstruiert und bekannte Instrumente auf ungewöhnliche Art eingesetzt.
In dreitägigen Microresidencies können die Musiker:innen ihre Arbeiten vor Ort mit 3D Audio Technologie entwickeln und dabei neue Ansätze ausprobieren. Alle Konzerte werden in hoher Qualität mit binauralem Audio live gestreamt – für ein raumgreifendes Erlebnis, vor Ort und überall.