Of Gust and Moist

Kerstin Ergenzinger

Immersive Soundinstallation /  11.–21.07.24

In der Ausstellung treten zwei Installationen in Dialog, die sich mit der Vermessung und Wahrnehmung von natürlichen Phänomenen und der Selbst-Positionierung und dem Ort von uns Menschen innerhalb dieses Beziehungsgefüges beschäftigen.

Whiskers  in Space ist eine künstlerische Studie über das Zuhören, Rauschen und Wiesen.  Übergroße Halme aus flexiblem Polypropylenschaum ragen aus dem Boden.  Sie bewegen sich, biegen und strecken sich von einer Seite zur anderen und zittern, als würden sie durch einen plötzlichen Nervenimpuls angeregt oder von einem geheimnisvollen Wind in Schwingung versetzt. In der Tat ist der Wind das entscheidende Element, das die Arbeit bestimmt; nicht der stürmische Wind am Meer, sondern ein mikroskopisch kleiner, nicht spürbarer Wind, der aus unerfindlichen Gründen eine Gänsehaut im Nacken auslösen kann.

Die skulpturalen Mechanismen sind mit Luftzugmessern (Hitzedrahtanemometern) verbunden. Ihr  Verhalten  orientiert sich an den permanent präsenten, zumeist nicht wahrgenommen Luftturbulenzen in Räumen.  Es sind Mikroströme, die von vielen Faktoren beeinflusst werden, darunter die Wärme und Bewegungen unserer Körper.

Ähnlich  wie die Schnurrhaare, die feinen Tastsensoren von Katzen im Dunkeln, dienen sie als Fühler und  Antennen. Sie bewegen sich, wenn sich die Luftaktivität ändert, streben  empor, ziehen sich zurück oder verhaaren. Auch klanglich drückt sich ihre  Wahrnehmung aus: Die Skulpturen verstärken akustisch die Frequenzen der vibrierenden kinetischen Drähte, die sie animieren,  und senden  ein nervöses rhythmisches Summen und Ticken  aus. Ihre eigenen Bewegungen wiederum und die Präsenz der warmen Körper des Publikums hinterlassen im Raum einen flüchtigen Abdruck, auf den die Skulpturen im Feedback reagieren. 

Pluvial  bezeichnet eine vom Niederschlag bestimmte Zeit. Die Soundinstallation Pluvial besteht aus wolkengleichen Mobiles, eine Art sono-taktiles  Rauminstrument. In unregelmässigen Abständen breiten sich Sounds von Regen mit anschwellenden Rhythmen und in unterschiedlicher Intensität im Raum aus. Die akustisch-regenerische Umgebung entwickelt sich stetig – manchmal ist  sie kaum hörbar, manchmal verdichtet sie sich organisch zu komplex  prasselnden Rhythmen und rauschendem Harmonien. 
 
Der sich teilweise selbstorganisierende Klangkörper besteht aus 80 selbstgefertigten, digital gesteuerten, kinetischen Saitentrommeln, jede von ihnen ein einzelner Kanal. Regen hat die Eigenschaft von weissem oder rosa Rauschen. Akustisch übersetzt  sich das Regenrauschen in Geräuschkulissen, die durch die unterschiedlichen Umgebungen und Oberflächen geprägt sind, auf die der Regen fällt. Analog dazu werden die Trommelwolken durch zufällige Spannungsimpulse in wechselnden Frequenzen gesteuert. Die Intensität von hochaufgelösten Niederschlagsmessungen auf den Weltermeeren, ihre Energie in Form der gemessenen Tropfengrösse und Tropfendichte, übersetzt sich in Dauer von Signal und Pause der Spannungsfrequenzen.
 
Die  fragile Mechanik der Klangerzeugung basiert auf dem  String-Drum-Prinzip: Eine Saite wird durch Reibung, Streichen oder Anschlagen zum Klingen  gebracht, etwa wie bei einer Zither und überträgt ihre Schwingungen auf ein Trommelfell mit Resonanzkörper. In Pluvial verstärken und filtern die unterschiedlich langen  Aluminiumröhren mit ihren verschiedenen Frequenzen, das zufällige Rauschen der Spannungsimpulse. Die Signale werden sowohl hör- als sichtbar.   Die Trommelkörper heben und senken sich an ihrem Instrumentendraht aus der  Formgedächtnis-Legierung Nitinol, einem besonderen Material,  das je nach Temperatur seine Form ändert. 

Beide Arbeiten entstanden in enger Zusammenarbeit mit dem Umweltphysiker Thom Laepple.
 
Die Modulation der zufälligen Spannungsimpulse basiert auf den Open-Source-Daten des Ocean Rain And Ice-phase precipitation measurement Network (OceanRAIN)

Pluvial  ist Teil ihres künstlerischen  Forschungsprojekts  „Rhythmic Textures“ an der Graduiertenschulde der UdK Berlin,  gefördert von der Einstein Stiftung Berlin, sowie Teil ihrer Zusammenarbeit als Associate Artists mit dem nuClock Forschungsprojekt (nuclock.eu). Die Produktion der Arbeit wurde von SMArt® Steps Program der  Dynalloy.Inc unterstützt.

Kerstin Ergenzinger

Kerstin  Ergenzinger (Berlin) ist bildende Künstlerin und Klangkünstlerin. Sie  arbeitet in und zwischen den Bereichen Skulptur, Klang, Kinetik, Licht  und Zeichnung. Die räumliche Umgebung ist ein wichtiger Teil ihrer  Arbeiten und die Frage, wie der Raum auch ein Instrument sein kann, ist  für sie zentral. Ein Kernthema ihrer Praxis ist das unauflösbare  Beziehungsgefüge zwischen Körper und Welt, zwischen Wahrnehmung und  Wahrgenommenem, zwischen sinnlichem Erkunden und der Herstellung von  Sinn. Sie arbeitet häufig interdisziplinär und kollaborativ an der  Schnittstelle zu Wissenschaft, Tanz und Musik, etwa mit dem  Sono-Choreographic Collective für transdisziplinäre Kunst und Forschung,  das aus dem Zusammenspiel von Klang und Objekt, Bewegung und Schreiben  Instrumente und Choreographien destilliert. Seit 2023 lehrt sie als  Jun.-Prof. für Akustische Ökologien und Sound Studies an der  Bauhaus-Universität Weimar.

swim 2024

Mit der Reihe swim (spatial works and immersive music) lädt das ZiMMT 2024 ein, musikalische Gewohnheiten über Bord zu werfen. Neun Konzerte und drei Klanginstallationen, die eine Brücke zwischen etlichen Genres schlagen, stellen uns vor neue Fragen. Ein breites Spektrum musikalischer Ausdrucksformen aus verschiedenen Genres wird in immersive, raumgreifende Erlebnisse integriert.

15 ganz unterschiedliche lokale und internationale Künstler:innen sind Teil von swim. Ihre Arbeiten reichen von vielschichtig komponierten elektroakustischen Werken bis zu experimentellen Ansätzen, die in der Ästhetik der Clubmusik wurzeln. swim verschmilzt unterschiedliche Klangwelten und lässt radikale Ansätze von Musikproduktion und Aufführung fragend auf herkömmliche Vorstellungen prallen. Was ist eine Live-Performance? Welche technischen Mittel kommen dabei zum Einsatz und wie erweitern sie den musikalischen Ausdruck? Was geschieht mit der Rolle des Publikums, wenn es in einer immersiven Performance in virtuelle Klangwelten eintaucht?

Auch Ideen davon, was ein Instrument ist, werden dekonstruiert und bekannte Instrumente auf ungewöhnliche Art eingesetzt.

In dreitägigen Microresidencies können die Musiker:innen ihre Arbeiten vor Ort mit 3D Audio Technologie entwickeln und dabei neue Ansätze ausprobieren. Alle Konzerte werden in hoher Qualität mit binauralem Audio live gestreamt – für ein raumgreifendes Erlebnis, vor Ort und überall.

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Michael Akstaller
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Natasha Barrett
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Ludwig Berger
Katharina Bévand
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Julian Charrière
Crys Cole
Nani Cooper
Judith Crasser
Felix Deufel
Jeffrey Döring
dotzerosix
Ectoplastic
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La Pesch
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